Von Margarete und Hans Weidinger.
MOS Montessori Fachoberschule Franken
Umbau mit Erweiterung eines denkmalgeschützten Bahnhofsgebäudes zu einer Fachoberschule mit 6 Klassen, Aula und Verwaltungsräumen.
Der Erweiterungsbau ist als Baukörper bewusst vom Altbau abgesetzt, um dessen Eigenständigkeit zu bewahren. Mit einem ähnlich großen Volumen und als ebenfalls klar geschnittener Solitär bildet der Kubus quasi ein Gegengewicht.
Mit der Revitalisierung des alten Bahnhofsgebäudes und dem Anbau ist ein neues Schulhaus für derzeit 140 Schüler und 13 Lehrer entstanden, das zu den Bahngleisen hin noch Erweiterungspotenzial bietet.
Der Charakter des Stationsgebäudes sollte als baulicher Zeitzeuge erhalten werden. Eingriffe in die originale Bausubstanz oder störende Zutaten wie Fensterbleche wurden auf das Notwendige minimiert, um die Patina zu erhalten. Die Fensterteilung wurden dem alten Erscheinungsbild, wie man sie nach Archivfotos rekonstruieren konnte, den heutigen Energiestandards angepasst.
Unter dicken Farb- und Tapetenschichten konnte die Restauratorin Erika Simon Teile der originalen Ausstattung wieder ans Tageslicht holen. In einigen Besprechungs- und Büroräumen weisen die Schriftzüge „Wartesaal 1. Classe“ und „Cassa“ auf die ursprüngliche Nutzung des Gebäudes hin. Den Eindruck der ursprünglichen Raumgröße der Bahnhofs-Vorhalle lässt sich oberhalb der Glasbänder nachvollziehen.
Als gläserner Zwischenbau bildet das neue Treppenhaus eine optische Zäsur zwischen den beiden Baukörpern und verbindet sie zugleich als zentraler Erschließungskern. Die Haupttreppen wurden aus Betonfertigteilen mit aufgesattelten Werkstufen in Sicht-Beton gestaltet, um die robuste Nutzung zu dokumentieren.
Die haptischen Kontraste zwischen Historie und Moderne wurden bewusst in Szene gesetzt: Den warmen Sandsteintönen stehen kühles Glas, glattes Stahlblech und Sichtbeton gegenüber.
Die original erhaltene, aber etwas schiefe Gußeisentreppe wurde mit einer Stahlkonstruktion ertüchtigt, so dass sie als zusätzlicher Nebenfluchtweg für die Verwaltung dienen kann.
Zeitgemäße Lehrmittel wie Smartboards unterstützen die Montessori-Pädagogen, die eigenständiges Arbeiten der Schüler ebenso wie das Arbeiten im Team fördern Für die häufige Gruppenarbeit bieten große Dielen vor den Klassräumen oder tiefe Podeste im offenen Treppenhauses ruhige Lernzonen.
Die wichtigsten Baudaten
Planungsbeginn: | 2009 |
Baujahr: | 2011-2012 |
Hauptnutzfläche: | 1910 m² |
Umbauter Raum: | 7930 m³ |
Energie: | Gasbrennwertkessel mit Solarunterstützung der Wärmebereitung; Neubau mit Fußbodenheizung, Altbau mit Wandtemperierung |
Standard: | Niedrigenergie-Standard |
Planungsteam
Entwurf: | Rainer Krauss |
Werkplanung, Ausschreibung, Bauleitung: |
Weidinger Architekten |
Projektsteuerung: | Aaron von Frantzky |
Tragwerksplanung: | Leonhardt Konstrukt |
Haustechnikplanung: | Forster + Müller GmbH |
Brandschutzplanung: | IBW Witzl |
Fassadenberatung: | Wilhelm Löw |
Idee und Geschichte
Die Montessori-Schule ist im Nürnberger Stadtteil St. Jobst seit längerem heimisch und bietet mit Grund- und Hauptschule, Kinderkrippe, Kindergarten und Hort eine umfassende Bildungseinrichtung ab dem Vorschulalter.
Damit Schüler nach den pädagogischen Konzepten von Maria Montessori auch die Hochschulreife in kleinen Klassen und mit individueller Lernbegleitung erwerben können, entwickelte der Montessori-Förderkreis Nürnberg e.V. gemeinsam mit Montessori-Pädagogik Erlangen e.V. ein Konzept einer staatlich anerkannten Fachoberschule. Da vorherige Standorte nicht ausreichend Platz boten, wurde nach Flächen in Nähe des bestehenden Schulzentrums gesucht – und ein brachliegendes Areal unweit der Schule gefunden. Die Projektentwicklung erforderte von den Beteiligten allerdings viel Zeit: vom Grundstückskauf bis zur Genehmigungsreife vergingen sechs Jahre.
Der Bahnhof St. Jobst, einer der ältesten noch erhaltenen im Stadtgebiet Nürnbergs, wurde 1874 im Rahmen der Fitchtelgebirgsbahn von Nürnberg nach Cheb errichtet und folgt – wie die meisten der Bahnbauten der Gründerzeit – festgelegten Typologien. Das Sandsteingebäude stand deshalb außen und weitgehend auch innen unter Denkmalschutz.
Bauausführung
Der viergeschossige Altbau wurde maßhaltig saniert und durch einen neuen dreigeschossigen Anbau erweitert. Die Anpassung des Bestands an heutige Energie-, Brand- und Schallschutzstandards wurde entsprechend den erforderlichen technischen Standards wohl dosiert ergänzt.
Die Sandsteinfassade wurde nur an wenigen Stellen aufgefrischt, die alte Patina sollte erhalten bleiben. Im Altbau sind nun Verwaltung, Schulbibliothek, Lehrerzimmer und der Raum der Schülermitverwaltung integriert, während der Neubau optimal auf Unterrichtsräume und Aufenthaltsbereiche zugeschnitten wurde; verbunden sind beide Baukörper durch ein lichtdurchflutetes Treppenhaus. Um den Fluchtweg des bestehenden Original-Treppenhauses – eine Stahl-Holzkontruktion- zu erhalten, wurde dieser über eine Sicherheitsschleuse im alten Gewölbekeller nach außen geführt. Der neue Klassentrakt im Neubau wird über eine separate Treppenanlage und einen Aufzug erschlossen. Die Treppen münden in die große Eingangshalle, die für multifunktionale Zwecke vorbestimmt ist. Von dieser Halle werden auf allen Ebenen in der bestehenden Mittelachse neue Zugänge zum Altbau, der die Schulverwaltung beherbergt, geschaffen. Hier werden Brandschleusen errichtet. Die Unterdecken wurden generell aus Gipskartonplatten, zum Teil mit abgehängten "Akustiksegeln" aus Trockenbau versehen. Bodendurchbrüche wurden mittels Brandschotts ertüchtigt, so dass die alten Fehlboden-Schüttungen erhalten werden konnten. Die Böden im Neubau wurden als schwimmende Estriche ausgeführt. Klassenräume erhielten Linoleum-Böden, alle Nassbereiche und Toiletten wurden gefliest. In der Aula des Neubaus wurde ein Industrieparkett verlegt.
Die zentrale Versorgung konnte in den bestehenden Gewölbekeller des Altbaus integriert werden. Von dort werden die einzelnen Räume mit Steigsträngen bzw. querliegenden Unterverteilungen versorgt. Die Sandstein-Außenwände des Bestands wurden durch eine Wandtemperierung gegen aufsteigende Mauerfeuchte versehen. Dezentrale Lüftungstechnik mittels Lüftungsaggregat-Schränken sorgt für den notwendigen Luftwechsel in den Unterrichtsräumen.